24.03.2016

Deutsches Fußballmuseum | Dortmund

Fußball Wunder von Bern 1954 im Wankdorfstadiion, SchweizViel buntes Geflimmer, vertraute Erfolgsgeschichten und überall die "Drei Streifen": Das Deutsche Fußballmuseum spricht in seiner Machart ein breites Publikum an, das in dieser Vielfalt in anderen Museen kaum anzutreffen ist. Es hat seine Berechtigung und war hinsichtlich der Präsenz des Fußballs in Deutschland überfällig. Doch stellt sich die Frage, ob nicht "Erlebniswelt" oder "Hall of Fame" die passendere Bezeichnung wäre...
Die beobachteten Besucher hatten sichtlich Spaß an einigen Teilen der Präsentation. Der multimediale Ansatz der Kuratoren entspricht internationalen Trends. Der begehbare Mannschaftsbus der Nationalmannschaft und der Bolzplatz am Ende der Ausstellung sind für jüngere Besucher ein Ereignis und Stärke dieses Museums. Vor diesem Hintergrund möchte ich die nachfolgende, subjektive Einschätzung und Wertung relativieren. Die Kritikpunkte sollen keinen totalen Verriss darstellen und niemanden von einem Besuch abhalten. Vielmehr dienen sie dazu, Diskussionen um Konzepte zukünftiger Ausstellungen dieser Art anzuregen.

Bolzplatz zum Fußballspielen im Museum des Deutschen Fußball Bundes in Dortmund
Zum Mitmachen – das Fußballfeld
für die Besucher

Das thematische Konzept – Wiedersehen mit vertrautem Filmmaterial
Nur weil in diesem fußballverrückten Land alles begeistert, was mit dem runden Leder zu tun hat, ist es nicht ausreichend den Besuchern einer Ausstellung bunte Filme mit Altbekanntem und Altbekannten zu präsentieren. Zugegeben, die Macher hatten ein großes Problem, denn zum Fußball in Deutschland ist bereits alles gesagt, alles gesehen, alles gedeutet und interpretiert. Jedes Fußballspiel ab Liga 3 ist ein mediales Großereignis, dessen Berichterstattung jeden auf irgendeine Weise tangiert. Gerade die großen Turniere, die seit spätestens 2006 keinen mehr kalt lassen und denen man sich nicht verweigern kann, sind uns allen bekannt.

Die Inhalte – Sport ist immer politisch
Wie gut für die Ausstellungsmacher, dass es auch in der DDR Fußball gab. So lässt sich alles  Schlechte dieser Sportwelt in die Abteilung DDR-Fußball packen und der Westfußball strahlt trotz Wettskandals, Verstrickungen im Nationalsozialismus, ungeklärter Dopingvergangenheit, DFB- und FIFA-Affäre. Dass in der DDR auch erfolgreich Fußball gespielt wurde bleibt eine Randnotiz. Nur die Geschichte vom Sieg der DDR-Auswahl über den großen Westbruder im Zuge des Turniers 1974 wird als amüsante Anekdote breit ausgeführt.
Natürlich ist man beim DFB modern und gesellschaftsverantwortlich. Deshalb hat das Aushängeschild Frauenfußball ebenfalls eine beachtliche Fläche erhalten. Ob dies seine Bedeutung widerspiegelt sei dahingestellt, in jedem Fall findet der Breitensport des mitgliederstärksten Sportverbandes der Welt keine Erwähnung. Ansonsten führt der Rundgang erwartungsgemäß in strikter Chronologie zunächst durch die Historie der Nationalteams und auf der folgenden Ebene durch den Vereinsfußball.

Medieneinsatz, Bildschirme, Leinwände und Beamerprojektionen in der Dauerausstellung
Multimedia in der Dauerausstellung
Der Besucher – Spielball in der Markenwelt
Wer gerne den Kopf ausschaltet ist hier richtig. Keine offenen Fragestellungen, eine runde Geschichte alles schon mehrfach gesehen und lauwarm serviert. Keine Aufreger, nichts Neues. Konsumiert wird nach festgeschriebenem Schema im Rundgang. Zwangsläufig wird jeder Besucher in ein 3-D-Kino gelotst, das integraler Bestandteil der Ausstellungsdramaturgie ist.
Offensichtliches Ziel war die totale Emotionalisierung. Die gelingt an einigen Stellen, meist schossen die Gestalter jedoch über das Ziel hinaus. Ein subtilerer Dialog mit den Besuchern würde diese weniger bevormunden bzw. weniger zum passiven Konsumenten machen - wobei natürlich die Frage bleibt, ob wir diese kapitalistische Gewohnheit überhaupt loswerden wollen.

Die Architektur – Langeweile im adidas-Showroom
Wenig naiv habe ich vor dem Besuch kein Museum im klassischen Sinne erwartet. Vielmehr hoffte ich auf eine hübsche Kunstwelt im Sinne der modernen Automuseen im Süden Deutschlands, die mir unverhohlen ein Produkt schmackhaft machen. Doch in Dortmund passiert die Glorifizierung des Fußballs ohne Ästhetik, ohne Feingefühl, im Stile der 2000er Jahre. Selbst die Architektur, sei es von außen oder von innen wirkt wenig innovativ, banal. Kein Vergleich zu den Automobiltempeln à la Mercedes-Benz-Welt. Ein Spaziergang durch das Gebäude ist kein Augenschmaus, es ist eine permanente Reizüberflutung.

Die Objekte – Fehlende Originale und der Ehering von Sepp Herberger
Aufgrund der nur wenigen Originalobjekte, die zwischen den riesigen Projektionen und Bildschirmen eingestreut sind, gibt es zu den Exponaten wenig zu sagen. Aura und Gänsehautgefühl schaffen hier weniger die Objekte, als vielmehr die theatralische Musik- und Filminszenierung. Die Auswahl der Objekte in den Vitrinen überrascht und verwundert. Warum der Ehering von Sepp Herberger? Was sagt dieses Exponat aus? Auch der Weltmeistertrainer von 1954 war verheiratet... Warum befindet sich das Schulzeugnis eines längst vergessenen Spielers der Weltmeisterelf von 54 in einer Vitrine? Was soll mir damit vermittelt werden? Welche Geschichte verbirgt sich dahinter?
Wer die Ausstellung im Sinne einer klassischen Museumsausstellung betrachtet, wird sich verwundert die Augen reiben. Alles was irgendwie in der jungen und äußerst bescheidenen Sammlung vorhanden war, wurde irgendwie in die Ausstellung integriert – nein, hinein geworfen.

adidas Laden, Museumsladen, DFB
adidas-Museumsshop
Die Rahmenbedingung – Exklusivität durch Preis
Der Eintrittspreis an einem Samstag betrug trotz ICOM-Karte 17,- Euro. Eine Unverschämtheit zieht man in Betracht, dass diese Ausstellung eine einzige Werbeveranstaltung ist, die aus öffentlicher Hand mitfinanziert wurde. Schade vor dem Hintergrund, dass das Museum Familien anspricht; und wo bleibt hier die gesellschaftliche Verantwortung?
Die große deutsche Sportmarke ist in der Ausstellung omnipräsent. Das Produktplacement wird im Laufe des Rundganges nahezu unerträglich und gipfelt im Ausgangsbereich. Das Ende des Ausstellungsrundgangs führt wie in vielen Museen in den Museumsshop. Doch der ist in diesem Falle ein Laden der Marke mit den drei Streifen, in dem die zuvor gesehen Trikots, Schuhe und diverse andere Fanutensilien direkt erworben werden können. Des Weiteren wird das "Museumcafé" von REWE gesponsert oder auch betrieben und Mercedes-Benz darf den Mannschaftsbus der Weltmeister von 2014 wie im Autohaus präsentieren.

Fetisch um Wunder von Bern 1954
Stein aus dem Berner Wankdorfstadion
  • Lieblingsexponat? – Der Backstein aus dem Wankdorfstadion in Bern. Warum? – Weil er in seiner Banalität so lächerlich wirkt. An diesem Objekt lässt sich trefflich diskutieren, welche Relikte zu Bedeutungsträgern im Museum stilisiert werden sollten und wo der Fetischismus an Grenzen stößt. 
  • Nachmachen! – Die Aktivbereiche sind kreativ und großartig umgesetzt. 
  • Was stört? – Siehe oben... 
  • Wie hinkommen? – Dieses Museum befindet sich in Bestlage, vis a vis des Dortmunder Hauptbahnhofs.
  • Charme? – Gute Stimmung und Lebendigkeit strömt das Fußballfeld am Ende der Ausstellung aus. Hier treffen sich junge Besucher und kicken zusammen gegen den Ball und leben damit das, was wir an dieser Sportart lieben. 
  • Jahreskarte oder Tagesticket? – Ich bezweifle, dass sich jemand eine Jahreskarte für diesen exklusiven Ort leisten möchte.
  • Was gibt’s noch? – Die Kokerei Hansa in Dortmund-Huckarde ist mein Geheimtipp. Das Gelände der stillgelegten Kokerei lässt sich mit einem Audioguide bei einem gemütlichen Spaziergang erschließen. Echte Industriekultur ohne Inszenierung, keine Bevormundung beim Rundgang, kostenloser Eintritt und Hunde sind auch erlaubt. 

Nachstellen des Tor des Jahres
Fallrückzieher leicht gemacht – Aktivstation
zum Tor des Jahres 1977 von Klaus Fischer
"Das Wunder von Bern" bildet den Auftakt
zu einer stark emotionalisierten Ausstellung

Chronologische Darstellung
der Nationalmannschaftshistorie

Bus der Weltmeistermannschaft aus Deutschland von Mercedes-Benz
Mannschaftsbus der deutschen Nationalelf
im "Mercedes-Benz Showroom"
Kleine Enttäuschung im Innenraum –
ein Omnibus wie jeder andere auch...

Der DFB hat seinen Sponsoren
viel Raum zugestanden


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