11.10.2015

MEG | Genf

Der Neubau des Musée d´ethnographie de Genève (MEG)

Im Jahr 2014 konnte das Musée d´ethnografie de Genève (MEG) nach über siebenjähriger Bauzeit ein neues Gebäude beziehen. Der moderne Neubau in Form einer Pagode wirkt geheimnisvoll und weckt Neugier: die besten Voraussetzungen für einen Ausstellungsbesuch, oder, wenn man so will, eine Ethnografie des Museums – und gleichzeitig eine Doppelung dessen, was Sammler ursprünglich dazu veranlasst haben mag, die Geschichten und Hintergründe der im Museum ausgestellten Objekte zu erforschen...
Um allerdings gleich klarzustellen: Bei einer solch großen, bis ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Sammlung wie der des MEG (über 80.000 Objekte) kann man nicht annehmen, dass es sich bei jedem Gegenstand um eine Schenkung oder einen Ankauf handelt, gerade wenn Objekte aus einem kolonialen Zusammenhang stammen. Dies gesagt möchte ich dem Museum nicht unterstellen, mögliche zweifelhafte Provenienzen bewusst zu verschweigen.

Der Blick vom 2. UG nach oben
Die neue Dauerausstellung ist einfach und übersichtlich aufgebaut. Sie befindet sich im zweiten
Untergeschoss des Gebäudes und besteht aus zwei Blackboxes. In der ersten wird man atmosphärisch eingestimmt und inhaltlich eingeführt. Auf einem weißen, länglich gestreckten Tisch, der wie ein überdimensionales Boot anmutet, wird in unterschiedlich großen Vitrinen ein Oeuvre aus Exponaten aus der ganzen Welt präsentiert. Parallel zu den Längsseiten des Tisches befinden sich auf der einen Seite hinterleuchtete Tafeln zur Geschichte der Sammlungen. Auf der anderen, zur zweiten Halle hinführenden Seite befindet sich eine schwebende Zwischenwand aus Monitoren, auf der Meereswellen im Loop stürmen: Es ist das Meer, über das all die Kulturen dieser Welt zusammenkamen.

Die Haupthalle des MEG


Jenseits der Monitore wartet die Haupthalle mit fünf Reihen nagelneuer Vitrinen: für je einen Kontinent eine Reihe. Anstatt eines etwas moderneren thematischen Ansatzes haben sich die Kuratorinnen und Kuratoren zu einer geographischen Aufteilung entschieden. Schnell wird klar, dass die Stärke der Ausstellung in den präsentierten Exponaten an sich liegt. In keinem anderen ethnologischen Museum habe ich solch wundervolle Zeugnisse menschlichen Kunsthandwerks in einer Schau vorgefunden. Hier haben nur Prachtstücke Platz erhalten und davon nicht zu wenige. Vielleicht ist es gut, dass es sich um eine überschaubare Auswahl handelt, denn nach eineinhalb Stunden, die man in etwa für einen Durchgang benötigt, könnte man kaum noch mehr Aufmerksamkeit aufbringen, die jedes dieser Exponate verdient.

  • Lieblingsexponat? – Nur um einige zu nennen: ein verzierter Kinderholzschlitten aus dem Graubünden des 18. Jh.; eine kleine Fischölschüssel in Form einer Krähe, die die Sonne in ihrem Schnabel hält, von in Kanada lebenden Tsimshian, 19. Jh.; ein zeremonieller Eimer der Inupiat, Alaska, frühes 20. Jh.; ein kurzes Schwert im Schaft mit einem herumgewickelten Talisman, Indonesien 19. Jh.; eine mit Echsenhaut bezogene Holztrommel, deren Öffnung an das Maul eines Krokodils erinnert, 19. Jh. Papua-Neuguinea.  
  • Nachmachen! – die klare Struktur, und, für Museen mit Geld: die anspruchsvolle Präsentation
  • Was stört? – manchmal fehlt eine eindeutige textliche Stellungnahme: wenn von einem bestimmten Brauch in einer bestimmten Gesellschaft gesprochen wird, auf welchen Zeitraum wird dann Bezug genommen? Selbst wenn eine Beschriftung im Präteritum steht, von welcher Vergangenheit reden wir dann genau?
  • Wie hinkommen? – Mit der 12er oder 15er Tram am "Plainpalais" aussteigen.
  • Charme? – Das Fehlen jeglicher Englisch- oder Deutschkenntnisse des Kassen-, Shop- und Servicepersonals kann im Kommunikationswirrwarr durchaus charmant wirken.
  • Jahreskarte oder Tagesticket? – Ich würde immer wieder hingehen, mir nur ein, zwei Objekte auswählen und dazu in Ruhe Geschichten ausdenken: Über die Menschen, die sie hergestellt haben, die sie in den Händen gehalten haben, die sie weiter gegeben haben. Was hatten sie dabei gefühlt und gedacht, welche Erlebnisse standen mit dem Gegenstand in Verbindung? Der Eintritt in die permanente Ausstellung ist frei. 
  • Was gibt´s noch? – So kompakt und übersichtlich wie der Dauerausstellungsbereich gehalten ist, ist auch der Rest des Museums: Im Eingangsbereich findet man Kasse, einen kleinen Shop und das (übrigens gut besuchte) Restaurant direkt nebeneinander, ohne dass die Einheiten aneinander gequetscht wirken. Als Audioguide bekommt man ein iPad, auf dem man zusätzliche schriftliche und auditive Informationen abrufen kann. Gut gemacht, aber aufgrund der doch etwas unhandlichen Größe wäre eine App für Mobiltelefone praktischer. 

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