08.06.2014

Vittoriale degli Italiani | Gardone Riviera

Im Vittoriale degli Italiani
Im Zentrum des an der Westküste des Gardasees gelegenen Örtchens Gardone Riviera befindet sich das „Vittoriale degli Italiani“, "Siegesdenkmal der Italiener" und ehemaliges Anwesen Gabriele D´Annunzios. Heute ist es Museum, zu dem man – angenommen Haribo würde mit Tipps nordkoreanischer Geschmacksexperten für Ezra Pound in Italien einen Besucherpark für Erwachsene eröffnen – vielleicht auch "Fantasialand" sagen könnte. Absurder geht es kaum. David Lynch hätte das Ambiente nicht skurriler gestalten können…
Das Mausoleum für D´Annunzio
Auf dem Gelände befindet sich eine riesige Gartenanlage mit Bach, Schlucht, Hängen und Ruinen, ein Mausoleum in Form eines Labyrinthes, ein mit Torpedos bestücktes Boot aus dem 1. Weltkrieg und der Bug eines "gestrandeten" Kriegsschiffes, das durch einen Betonanbau erweitert wurde, schließlich gar noch ein Hundefriedhof.

Die gigantische Villa ist in zwei Ausstellungsbereiche aufgeteilt: das Wohnhaus – seit dem Tode D´Annunzios im Jahre 1938 angeblich unverändert – und ein Auditorium, wo in Endlosschleife ein mit schmalziger Musik untermalter Rundgang durchs Haus gezeigt wird; von der Decke ein Flugzeug und rundherum eine Bildergalerie sowie beschriftete Fototafeln zum Leben D´Annunzios, aus denen man nicht schlau wird.
Auditorium im Vittoriale
Wer nicht weiß, wer Gabriele D´Annunzio war und auch keine komplizierte Antwort darauf sucht, dem wird schnell Hilfe verschafft – Text und Audiostimme verkünden: „Poet und Held“. Doch wenn man ein wenig mehr erfahren möchte, etwa warum Poet und weshalb „Held“, stellt sich schnell Misstrauen ein. Das merkwürdige: kaum einer der BesucherInnen scheint nach Antworten zu suchen. Aus dem Nichts auftauchende Schulklassen und Touristen spazieren über das Anwesen mit einem Lächeln auf den Lippen, hinter dem weder Fragezeichen noch ironisches Kopfschütteln zu erkennen sind. Aber wozu kritische Reflexion – wir sind hier schließlich an einem Urlaubsort, wo die Sonne scheint und vor dem  Museum Trödelverkäufer unbekümmert Magnete mit dem Abbild des Duce anbieten.
Ein Blick auf D´Annunzios Sammlung
Den Wohnbereich bekommt nur zu sehen, wer sich einer der Führungen anschließt. Nach längerem Schlangestehen sind wir mit einer Gruppe von acht deutsch sprechenden Personen an der Reihe. Wir folgen einer Frau, die zwar freundlich lächelt und von links nach rechts zeigt, aber kaum ein Wort spricht – das überlässt sie dem kleinen Abspielgerät in ihrer Hand, das sie über unsere Köpfe hält und aus dem eine Frauenstimme die jeweiligen Räume kommentiert. Die Interieure bilden den Höhepunkt der Verwunderung: bombastisches Art Deco mischt sich hier mit Allerweltsesoterik und prunkvollem Kitsch, der angsteinflößende faschistische Züge trägt. Katholische Heilige neben tibetanischen Buddhas, nationale Abzeichen und Kriegsandenken vor unzähligen Büchern. Kaum einer der Räume hat Tageslicht, sie sind eng, aber ausschweifend pompös eingerichtet. Hier hat D´Annunzio Musik gehört und geliebt, dort gespeist, hier geschlafen, dort geschrieben oder Korrespondenz gehalten. Die Fülle der Dinge ist zwar wortwörtlich atemberaubend. Doch nirgends wird wirklich etwas zu D´Annunzios Person verdeutlicht, obwohl er einziger Protagonist des gesamten Spektakels ist. Er schreibt viel, fliegt gerne, ist Kumpel mit Mussolini (hat aber angeblich nichts weiter übrig für dessen faschistische Partei), ansonsten Schweigen. Ach ja, Frauenheld war er auch, hatte mehrere Geliebte, Kinder hier und da.
Das meiste bleibt unkommentiert und unreflektiert. Dass er Vorbild für die Faschisten war, einen literarischen Symbolismus vertrat oder mit welchen Themen er sich in seinen Werken auseinander setzte, muss man anderswo nachlesen. Ich frage mich, was sich – gerade für Schüler – aus einem Besuch erschließen lässt. Vielleicht sagt sich die eine oder der andere: das waren noch Zeiten, als  als Poeten in solch Überfluss lebten; Größenwahn vom Staat bezahlt. Unterhaltung und Verwirrung sind garantiert, wenn auch für 16 € Eintritt ein teurer Spaß.
  • Lieblingsexponat? –Der Riesenglobus und die Büste einer seiner Musen (abgedeckt, damit ihr Antlitz ihn nicht störe).
  • Nachmachen! – geht nicht
  • Wie hinkommen? – PKW, Motorrad, Fahrrad oder Boot
  • Charme? – Die Vegetation drum herum und der Hauch des Unheimlichen, der über dem Anwesen noch herrscht.
  • Jahreskarte oder Tagesticket? – Einmal reicht; aber: Im Amphitheater spielen tatsächlich Bands wie The National oder David Albarn auf ihrer kommenden Tour live!
  • Was gibt’s noch? – Wenn man sich auf die Spuren eines Schriftstellers begeben möchte, dann lieber denen des großartigen D.H. Lawrence folgen, die er in und um Gargnano hinterlassen und in seinen Schilderungen in "Twilight in Italy" verewigt hat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen